Michaels Bericht vom New York City Marathon
(5.11.2017)


Wie es Holger schon letztes Jahr beschrieb: "großes Kino"!

Nachdem Matthias Tochter Sophie an Halloween mit "Trick or Treat" fleißig Süssigkeiten sammelte, war der Besuch der Marathonmesse gleich am Donnerstagmorgen ein bisschen "Trick or Treat" für Läufer/innen. An vielen Stellen gab es eine Probe zum Essen, zum Trinken, kleine Täschchen, Gürtel, ... an vielen Stellen die Möglichkeit, auf ein Foto gebant zu werden. Die Startnummer und ein T-Shirt gab es natürlich auch .

Unser Reiseveranstalter hatte am Freitagnachmittag eine Informationsveranstaltung in einem bekannten Musikclub am Broadway organisiert (BB King Club). Thomas Wessinghage (hält noch immer den deutschen Rekord über 1500m, 1982 Europameister über 5000 Meter, 1989 Marathonbestzeit in 2:26 Std.) hielt einen nett gemachten Vortrag, der aber für uns bis auf ein paar Details nichts wirklich Neues zum Marathonlaufen enthielt.

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Am Sonntagmorgen um 6 Uhr holte uns ein Bus am Hotel ab, der uns zum Start brachte. Dort angekommen, begann das lange Warten auf den Start. Allerdings gab es in drei "Villages" ausreichend Frühstück mit Kaffee, Tee und Kakao, Bagels und Energieriegeln.

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Vor was Matthias und ich aber völlig fassungslos standen, war das gut ausgeschilderte und sogar in Durchsagen bekannt gegebene Zelt mit "Therapiehunden". Keine Ahnung, wie das Streicheln von Hunden zum Erfolg eines Marathons beiträgt. Aber vielleicht bauen das Katharina und Claus ja demnächst mal in unser Training ein .

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Der Startbereich war gut organisiert, und man konnte kaum etwas falsch machen. Alle Durchsagen und die aktuellen Hinweise auf großen Anzeigeschirmen waren in verschiedensten Sprachen, darunter auch Deutsch. Etwas befremdlich, aber angesichts des Terroranschlages ein paar Tage vorher aber verständlich, waren die vielen Sicherheitsvorkehrungen: Metalldetektoren und Taschenkontrollen, immer wieder Überprüfung der Startnummer, ... und vor allem jede Menge an Rangern und Polizisten, aber auch Militär mit entsprechender Bewaffnung und Ausrüstung.

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Schließlich ging es für uns in den grünen Coral, was bedeutete, dass wir nicht oben, sondern durch die untere Etage der Verrazano-Narrows-Bücke liefen. In dieser Startzone, die irgendwann sogar verschlossen wurde, warteten wir relativ lange, bevor es in den eigentlichen Startbereich ging. Dort hieß es wieder warten, ohne dass es irgendwelche Unterhaltung oder Musik gab. Schon ein wenig enttäuschend. Nach der obligatorischen amerikanischen Hymne und einer Ansprache gab es aber dann doch irgendwann den Startschuss und Frank Sinatras "New York, New York" - Gänsehautgefühl pur - und es ging los.

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Pünktlich zum Start gab es etwas Nieselregen und der Marathon wurde, was die Aussicht anging, zu einer Art Nebellauf. Von Manhattan und den Hochhäusern gab es den ganzen Lauf lang nichts zu sehen.

Der heftigste Anstieg des ganzen Marathons war gleich der Aufstieg zur Mitte der Brücke, bevor es dann lange nur noch bergab ging. Wir liefen vor allem bergab immer sehr vorsichtig, um Fuß und Knie zu schonen. Nach der Brücke ging es zunächst durch Brooklyn und das "große Kino" begann: nicht nur der interessante Lauf durch die eher unbekannteren Stadtteile New Yorks mit netten, kleineren Häusern, sondern vor allem die Stimmung an der Strecke und die enthusiatisch anfeuernden Zuschauer/innen waren der Hammer! Unbeschreiblich grandios! Eine solche Begeisterung und Lautstärke hatten wir vorher noch nie erlebt. Und es blieb so laut, egal ob wir durch Brooklyn, durch Queens, durch die Bronx oder durch Manhattan liefen. Natürlich gab es auch viel Musik: Jazz, Rock, karibische Klänge, ... vor dem Eingang einer Kirche sang sogar ein großer Gospelchor. Bis ins Ziel also ein unvergessliches Erlebnis!

Nur an einer Stelle war es von einer Seite der Kreuzung zur anderen plötzlich mucksmäuschen still. Im Williamsburg, das überwiegend von orthodoxen Juden geprägt wird, gab es keine Zuschauer/innen mehr, und wir wurden von den wenigen Menschen auf den Gehwegen keines Blickes gewürdigt.

Ein paar Kreuzungen weiter begann aber wieder der übliche Jubel. Ein leichter Durchfall zwang mich relativ schnell zu einer Toilettenpause. Matthias lief derweil langsam weiter. Leider war ausgerechnet vor diesen Toiletten eine kleine Schlange. Ich verlor also etwas zu viel Zeit und, damit sich Matthias nicht (allzu viele) Sorgen machen sollte, schloss ich mit einer kleinen Zwischenbeschleunigung wieder zu ihm auf - was mir die Beine am Ende des Marathons gnadenlos in Rechnung stellten .

Nach Brooklyn ging es dann durch Queens, von wo aus es dann etwa bei Halbmarathon zum ersten Mal nach Manhattan ging. "Ging" ist nicht das ganz falsche Wort: Der elend lange Anstieg hoch auf die Queensboro-Brücke dauerte eine gefühlte Unendlichkeit. Der Abstieg war dann sehr steil, aber die Begrüßung in Manhattan war dafür besonders laut! Jetzt ging es nach Norden über die First Avenue, normalerweise mehrspurig von Autos beherrscht und heute nur für Läufer/innen freigegeben (allerdings wieder aufwändig gesichert). Von Zuschauermassen angefeuert, ging es bis in Manhattans Norden und von dort (natürlich wieder über eine ansteigende Brücke) in die Bronx. Wieder ein anderer Stadtteil, wieder eine andere Stimmung, aber wieder tolle Anfeuerung. Was wir auch nötig hatten, da unsere "Körner" nun doch deutlich weniger wurden.

Endlich dann der Central Park. Aber was hieß schon "endlich". Der Park zog sich! Am Ende: immer wieder noch eine Kurve, noch ein neuer Anstieg/Abstieg. Es schien kein Ende zu nehmen. Am Ende verließ man den Park noch einmal: natürlich ganz im Osten, so dass man auf der Straße außerhalb den Park noch einmal in voller Breite nach Westen entlang laufen konnte . Und leider Zeit genug, Matthias noch einen Krampf und einen kleinen Würgeanfall aufzuerlegen.

Aber irgendwann ging es dann wieder hinein in den Park und eine letzte, relativ lange Steigung führte ins Ziel, das wir nach etwas mehr als 4:21 Stunden Laufzeit erreichten. Aber die Zeit bedeutete uns natürlich gar nichts. Wer als Amateur "Tunnel läuft" hat in New York definitiv etwas falsch gemacht!

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Es gab keine(!) Getränkestelle nach dem Ziel, und man musste erst einmal elend weit laufen, bis man endlich einen Verpflegungsbeutel bekam, indem sich neben Wasser (was ich aber am Ziel nicht mehr sehen konnte) nur noch zwei kleine Fläschchen mit einem isotonischen Getränk bzw. einem (nach einem Marathonlauf eher unverdaulichen) milchartigen Getränk befand. Es war gefühlt ein zusätzlicher Halbmarathonlauf, bis wir endlich bei der Ausgabe unserer Kleiderbeutel waren, dem sich ein weiterer "10-Kilometer-Lauf" zum Ausgang anschloss. Zu Toiletten musste man von dort aus noch einmal einen "5-Kilometer-Lauf" bestreiten. Und zum Sitzen oder Hinliegen gab es nichts, gar nichts! Nicht eine kleine Bank oder ein Stückchen Wiese. Ein großes Lob im Nachhinein an den Berlin-Marathon! Bis Matthias und ich am Nachmittag wieder im Hotel waren, waren wir übrigens nahezu 9 1/2 Stunden auf den Beinen, ohne auch nur einmal kurz gesessen zu haben. Sehr gut aber die medizinische Vorsorge. Bis zum Ende der Kleiderbeutelausgabe standen Ärzte und Ärztinnen und prüften unauffällig, ob auch ja niemand Probleme hat.

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Aber trotz der langen Wege am Ende: Der New York City Marathon war ein grandioses Erlebnis!